von Josephine Engelmeier (Wien)
In ihrem Vortrag „Fallen Idols“ enthüllte Dr. Alex von Tunzelmann die absurdesten Positionen bei Denkmalstürzen. Von grotesken Melania Trump-Skulpturen bis hin zur ethischen Frage des Diebstahls von Hitler-Büsten – sie wirft einen humorvollen Blick auf die Kontroversen. Dr. Moira Pérez beleuchtet in ihrem Vortrag über koloniale Denkmäler und Interventionen das Erbe der Kolonialität. Die fesselnde Verbindung von Geschichte, Ethik und gesellschaftlichem Wandel brachte uns eine Menge Erkenntnisse in der Reihe ‘About Monument Practices’.”
Von Tunzelmanns gefallene Idole
Unter dem Titel „Fallen Idols. Statues, History and Memory“ hielt Dr. Alex von Tunzelmann am 15. Mai 2023 den Auftaktvortrag der Reihe „About Monument Practices“. Als Historikerin, Broadcasterin und Drehbuchautorin setzte sie sich bereits in unterschiedlichen Medien mit Vergangenheitsbezügen auseinander, wobei besonders erwähnenswert ihr Bestsellerbuch „Fallen Idols: Twelve Statues that Made History (2021)“ ist, aus dem sie uns auch einige Beispiele mitbrachte. Hier einige zusammenfassende Erkenntnisse aus ihrem Vortrag:
Read more: Ikonoklasmen zwischen Vandalismus und Intervention. Ein Bericht- Ikonoklasmen, Denkmalstürze sind keineswegs ein vergangenes Phänomen, sondern es gibt zahlreiche Beispiele und Phänomene aus der Zeit- und Gegenwartsgeschichte.
- Es gelten keine klassischen Vorstellungen: Junge, Progressive stürzen Statuen und Alte, Konservative stellen sie auf. Es ist komplexer und gerade bei Denkmalstürzen kann es zu den absurdesten Positionen kommen, die mit der jeweiligen inhaltlichen Umdeutung verbunden sind.
- Der klassische Denkmalstypus der Statue ist ein generelles Problem: Er ist ausschließend, nicht zeitgemäß oder einladend. Stattdessen: collective memorials, in denen einerseits das Individuum abgebildet, andererseits aber auch als zu einer sozialen Gruppe zugehörig repräsentiert wird, wie zum Beispiel bei den Stolpersteinen.
Neben diesen Erkenntnissen brachte uns von Tunzelmann einige lustige und groteske Beispiele mit wie eine aus einem Lindenbaum geschnitzte Melania Trump oder unproportionale „große Männer“. Ein letzter Aspekt, den von Tunzelmann eröffnet hat, wäre auch die Frage nach der ethischen und der rechtlichen Dimension bei Denkmalstürzen. Einerseits konstatierte sie, dass es sich bei Statuen nicht um Kunst handele, sondern um Propaganda. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass mit „Vandalismus“ an Denkmälern Kunst zerstört würde. Vandalismus an Denkmälern wird jedoch, in Großbritannien, mit höheren Strafen als sexueller Missbrauch bestraft, so von Tunzelmann. Was wäre, wenn man „Vandalismus“ an Denkmälern straffrei machte, um den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen? Andererseits erzählte sie von einer Hitler-Büste, die sie zum Verkauf stehend in einem Antiquariat in UK gefunden hat. Ethisch korrekt wäre es wohl gewesen, die Büste zu stehlen, um Profit durch den Verkauf der Büste unmöglich zu machen und sie im Anschluss zu zerstören. Auch dieses Beispiel zeige, dass der ethisch korrekte Umgang mit Denkmälern sich häufig nicht mit dem juristischen Möglichen deckt.
Pérez und koloniale Zeitlichkeit
Den zweiten Vortrag in der Reihe lieferte Dr. Moira Pérez eine Woche später mit dem Titel „Monuments, Vandalism, and Colonial Temporality“. Im Rahmen ihrer Forschung als Fellow am Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover brachte sie uns einen Vortag zu Zeitlichkeit und Gleichzeitigkeiten an kolonialen Denkmälern und über mögliche Interventionen an diesen Orten mit. Neben sechs Faktoren, die eine gelungene Intervention enthalten müsse, um sich erfolgreich gegen ein koloniales Narrativ durchsetzen zu können, brachte Pérez auch Begriffe wie das „cognitive empire“ oder „colonialization of the mind“ ein.
Bei diesen Begriffen aus der anti-kolonialen, postkolonialen oder dekolonialen Forschung gehe es darum, deutlich zu machen, dass „Kolonialität“ deutlich komplexer als die Vergangenheit des Kolonialismus sei. Sie beeinflusse uns heute noch nachhaltig und hartnäckig, so Pérez. Begonnen mit der kulturellen Dominanz des europäischen Verständnisses von Zeit, das kein Außerhalb von Kolonialität zulässt.
Auf dieser theoretischen Grundlage sind auch die von Pérez aufgestellten Bedingungen für gelungene Denkmalsinterventionen zu verstehen:
- Partizipation – sie müssen offen und zugänglich eine Debatte über die Vergangenheit erlauben und die agency der Akteur*innen stärken.
- Avowal – es muss ein öffentliches Bekenntnis zu der Problematisierung vorliegen und die Kontinuität von Vergangenheit und Gegenwart anerkannt werden.
- Prozesse „von unten“ – marginalisierte Gruppen müssen in den Prozess eingebunden und für ihre Stimme muss in den entsprechenden Debatten Platz geschaffen werden.
- Multidimensionalität – der öffentliche Raum, in dem die Interventionen stattfinden, ist gleichzeitig jener Raum, in dem private und persönliche Erfahrungen und Emotionen stattfinden. Alltagserfahrungen müssen daher eingebunden werden.
- Beständigkeit, Dynamik und Sichtbarkeit – der Prozess materieller Transformation muss mitbedacht und für zukünftige Interventionen offenbleiben.
- Zeitliche Kontinuität – die Vergangenheit kann nicht bewältigt und in dem Sinne abgeschlossen werden. Der Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart muss erkennbar bleiben.
Abschließend schlussfolgerte Pérez, dass Kolonialität eine Form von Kolonialismus ist und sich im sozialen Leben festschreibt. Sie präsentierte einen Zugang, um postkoloniale Forschung, Geschichte „von unten“ und nicht zuletzt Denkmalsforschung miteinander zu verbinden.
tl;dr:
Im Rahmen der Vortragsreihe „About Monument Practices“ haben Dr. Alex von Tunzelmann und Dr. Moira Pérez, die historische Bedeutung von Ikonoklasmen und welche Rolle sie in unserer heutigen Zeit spielen, diskutiert. In diesem Blogbeitrag geben wir einen Überblick über die Ergebnisse der Vorträge, bei dem die Frage im Fokus steht, wo die Grenze zwischen Vandalismus und Intervention verläuft, aber auch welche Bedeutung Zeitlichkeit und Partizipation im Kontext von Kolonialität hat.
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